Der Seelen-Fischer als Leseprobe von Michael Niggemann

Hier finden Sie die Leseprobe zu meinem zweiten Thriller "Der Seelen-Fischer".

Es ist der Anschluß an "Das schwarze Loch" mit einer ganz neuen Handlung.

Die Hauptdarsteller treffen sich wieder, endgültig.

Es wird wieder um das Thema Missbrauch an Kindern gehen und seine Auswirkung

auf die Lebensentwicklung der Opfer, Täter und der Gesellschaft, die weg geschaut hat.

 

Seelen - Fischer


Dortmund, Pflegeheim Hansastraße, April 2013

Der Profiler Mark Neumann schlägt die Augen auf. Sie sind starr und aus ihnen blickt die pure Angst. Aus dem rechten. Das linke hatte er in der Schlacht von Aeggenscheid verloren. Er hatte wieder die Bilder vor Augen. Die Explosionen, die Hitze, Schreie, die sterbenden und verendeten Kollegen, den Blick des toten Hauptkommisar Bernd Saure. Du bist Schuld. Du hast uns nicht beschützt. Du hast versagt.
Dann taucht das schwarze Loch, Mike Nordmann, vor ihm auf. Mark Neumann hängt gelähmt in dem Rhododendron Strauch. Er kann nicht weglaufen. Er kann sich nicht auf das schwarze Loch stürzen und es töten. Nein, er hängt hier verbrannt und mit vollgepisster Hose in diesem scheiß Busch und kann sich nicht bewegen. Das schwarze Loch steht vor ihm. Er kann sein Gesicht sehen. Seine toten Augen. Dann sieht der Profiler das aufblitzten der Messerklinge. Er will schreien. Kein Ton. Die Hitze der Explosion hat ihm die Stimmbänder und die Oberfläche der Zunge verbrannt. Dann spürt er, wie ihm das linke Ohr abgeschnitten wird. Der kümmerliche Rest des verbrannten Ohrs. Sein Schrei drückt sich durch das rechte Auge aus. Der Schmerz, die Hilflosigkeit, seine Angst und Unsicherheit. Alle Gefühle schreien, aus dem rechten Auge, das schwarze Loch an. Wieder wünscht er sich tot zu sein. Erlöse mich. Er schließt die Augen. Der Profiler Mark Neumann fällt in eine tiefes, schwarzes Loch. Mit ihm fällt die Erkenntnis, dass Mike Nordmann noch lebt. Das schwarze Loch lebt noch. Doch das wird ein Geheimnis zwischen dem Profiler und dem Loch bleiben.

Mark Neumann wollte aus dem Bett. Weglaufen. Schreien. Sich Freiheit verschaffen. Seine Wut und Verzweiflung freilaufen. Sein Leiden in das kleine Zimmer ,in dem Pflegeheim, hier in Dortmund brüllen. Tränen liefen aus dem rechten, gesunden Auge. Dieses Auge war alles, was ihm das schwarze Loch gelassen hatte. Es war nun seine Sprache.
Eine Sprache, die nur sein Sohn Thomas verstand. Thomas wusste, dass Mike Nordmann noch lebt. Die Bestie von Aeggenscheid. Das schwarze Loch. Der Mörder und Peiniger von unzähligen Menschen. Und doch wurde er durch die Storie der Fotozeitung zu einem Rächer für die Gerechtigkeit. Jeder kannte nun seine Geschichte. Ein Opfer von Kindesmissbrauch.
Thomas Neumann ließ sich davon nicht blenden. Mike Nordmann war ein Mörder und hatte die menschenunwürdige Existenz seines Vaters zu verantworten. Thomas Neumann würde ihn aufspüren. Seinen Vater und die vielen gestorbenen und umgebrachten Menschen rächen.

Es klopfte an der Tür. Thomas Neumann trat herein. Er lieft auf seinen Vater zu. Mark Neumann sah die Freude und den Stolz in seinen Augen. Er hielt ihm die Urkunde vor das gesunde Auge. “Da isses. Da isses, das Ding. Papa, da isses.” Er strahlte mit seinen schneeweißen Zähnen. “Papa, ich bin jetzt Profiler, genau wie Du.” Freust Du dich ?

Mark Neumann klappte zweimal mit dem Auge. Das bedeutet ja.



12 Februar 1966, Siedlung Eschen in Plettenberg
                                                              
Es ist der 12 Februar 1966 um 0:23 Uhr. Die kleine fünf-jährige Miriam Schulte wird wach. Sie fühlt sich alleine in dem Siedlungszimmer in ihrem Kinderbettchen.
Es war kalt in dem Zimmer und sie fror. An der einfach verglasten Scheibe des Holzfensters waren tausende von gefrorenen, kleinen Schneeflocken. Im Raum war es nicht viel wärmer als draußen. Es schneite. Sie hatte Angst und ihr kleiner Körper zitterte von der Kälte und der Angst. Sie war alleine in dieser großen Siedlung. Niemand hörte und sah sie.

Ihre Mama liegt auf der Matratze neben Ihrem Bett und schnarcht. Ihr Mund steht weit auf und Miriam kann den Geruch von Schnapps, beim ausatmen von Mama, riechen. Dabei wird es ihr übel und sie muss würgen. Im Raum riecht es nach kaltem Zigarettenrauch, wie überall in der 55 Quadratmeter Siedlungswohnung. Für Mama existiert Miriam nicht. Gleich würde es wieder passieren.

Dann hört sie das knarren der modrigen Holztür, die sich langsam öffnet. Im Zimmer war es dunkel. Manchmal kam ein Lichtschein für einen kurzen Moment, von einem vorbeifahrenden Auto und brachte etwas Trost in kalte Dunkelheit des Raumes.

Sie hört die Schritte auf den knarrenden Holzdielen. Langsam. Dann poltern. Er war wieder besoffen, dann war es besonders schlimm.
Plötzlich spürt sie, wie der Körper des ausgewachsenen, 1,87 cm großen und 87 kg schweren, Mannes in Ihr Bett und mit voller Wucht auf sie fällt.
Der Aufprall der 87 kg auf den kleinen, fünf-jährigen, zarten Mädchenkörper, drückte die Luft aus den Lungen des Mädchen. Sie ringt nach Luft. Doch das Gewicht läst eine Atemfunktion nicht zu. Die kleine Miriam fängt an zu röcheln und ihr wird es schwindelig. Alles dreht sich und sie hatt viele kleine weiße Pünktchen vor dem Schwarz ihrer Augen. Dann gehen die Punkte in Lichtblitze über. Ihre Augen drückten von Innen nach Außen und sie hatte das Gefühl, dass ihre Augen gleich aus Ihrem Kopf fliegen. In ihren kalten Ohren hörte sie das heiße Blut rauschen und pulsieren. Ihre kleinen Finger krallten sich in das Oberbett.

Dann fuhr ein Auto vorbei. Für einen kleinen Moment Licht, nicht tröstend, aber es war Licht.
Ihre weit aufgerissenen Augen schauten auf die neben ihr liegende, besoffene Mama.
In Miriams Augen steht mit großen Buchstaben

“Mama, so hilf mir doch.”

Dann dreht sich der Körper von Dietmar Braun zur Seite. Miriam röchelte. Luft, sie konnte endlich die erlösende, schlechte Luft von Schimmel, Alkohol, Nikotin, Sperma und verschwitzen Männerhemden aus der verkommenen und dreckigen Siedlungswohnung atmen.

Und dennoch war es die Luft , die sie weiter am Leben hielt. Sie spürte das pochen in Ihren Ohren. Sie atmete tief ein und hustete stark und laut. Miriam konnte spüren, wie der lebenswichtige Sauerstoff über ihre Blutbahnen in alle Fasern ihres Körpers geschossen wurde. Sie röchelte. Doch Mamas Augen blieben geschlossen.

Irgendwann spürte die kleine Miriam den Atem von Dietmar Braun über sich. Er stank nach Bier und Schnapps. Er stank nach Nikotin, nach altem Schweiß,nach ungepflegten und faulen Zähnen. Sie würgte. Ihre blauen und unschuldigen Augen waren weit aufgerissen. Die Angst lähmte ihre Beine und Arme. Sie konnte sich nicht bewegen. Ohne Ausweg fühlte sie den Schmerz zwischen ihren Beinen. Es brennt und tut ihr weh. Die starken Männerhände umfassen ihre kleinen Handgelenke und schnüren ihr das Blut ab. Für kurze Zeit war das anbrechen der noch wachsenden und schwachen Knochen ihrer Gelenke zu hören. In ihrer Angst und Panik war ihr kleiner Kinderkörper verdreht und somit überdrehte sie ihre Bänder in den Knien und Fußgelenken. Ihr kleiner Kopf dreht sich zu Ihrer Mama. Tränen laufen aus Ihren Augen. In Gedanken streckt sie Ihre kleinen Händchen zu Ihrer Mutter aus.

“Mama, so hilf mir doch.”

Ihre Mama, die nur etwas über einen Meter von ihr entfernt liegt, hilft Ihr nicht. Sie überlässt Sie ihrem grausamen Schicksal.
Dann spürte sie die Schläge in Ihr Gesicht, auf ihre Schultern und in ihren Bauch.
Das tat er immer wenn er abgespritzt hatte.
Dabei rief er immer wieder :

 “Slut, Slut, Slut, Slut, Slut, Slut”
 
Mit den Schlägen spürte sie die Schmerzen. Alles auf und in ihrem kleinen Körper brannte und schmerzte. Sie verschluckte immer wieder ihr leicht erbrochenes um nicht noch mehr Schläge zu bekommen. Sie bekam so nicht genug Luft. Die Schläge hörten auf.
Sie vernahm, wie das Monster ihr Kinderbett verließ. Sie hörte das rauschen in ihren Ohren und das knarren der Holzdielen. Die Tür schloss mit einem langsamen knarren.

Dann war es still und dunkel. Es war 01:15 Uhr.
Die kleine Miriam lag ohnmächtig, in gekrümmter Körperhaltung, auf ihrem blutigen Bettlaken. Ihr Körper zitterte, trotz ihrer Ohnmacht. Ihr Unterleib brannte und pochte, wie bei einer eitrigen Entzündung.

Durch die Siedlung im Eschen in Plettenberg ging die 26 Jahre alte, kranke Gestallt von Dietmar Braun durch die kalte Nacht und den Schnee. Die Fußspuren im Schnee zeigten den Weg von Haus Nr. 3 in Haus Nr. 9.
Wieder einmal hatte er sich an der kleinen Miriam für die Folgen seiner Kindheit gerächt.

Die Nichtseher, Restnazis, Kriegsopfer, Künstler der Verdrängung, Alkoholiker, Zigarettenabhängigen, perversen, mediengefügigen und sauberen Bewohner der Siedlung und Stadt schliefen in ihren Wohnzellen und lebten wissentlich und wegsehend mit dem Bösen in ihrer kleinen, kranken, Welt der Siedlung im Eschen, in der Stadt Plettenberg.....